New Work: Unser 4-Tage-Chef macht freitags no Office!

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Noch vor 3 Jahren war für Arbeitgeber* und Arbeitnehmer in Deutschland kaum vorstellbar, die meiste Arbeitszeit im Home-Office zu vollbringen. Unternehmen waren sich sicher, dass die Kommunikation und Kontrolle unter diesen Umständen nicht funktioniert. Allerdings träumten viele deutsche Beschäftigten damals schon von mehr Flexibilität und einer guten Work-Life-Balance. Dass es anders geht, bewies Island in einem Modellversuch zur 4-Tage-Woche von 2015 bis 2019.

Unser Chef, Milan Uhe, ist genauso ein Vorreiter in Sachen moderner Unternehmensführung: Er lebt das Arbeiten von überall. Bereits vor der gezwungenen Home-Office-Welle führte er Freelance Partner zwei Jahre von Colorado aus. In seinem Interview verrät er u. a.:

 

✓ Was war der Auslöser für seine 4-Tage-Woche?
✓ Welche Vorteile und Nachteile gibt es?
✓ Welche Softskills sind für die Umsetzung erforderlich?

Mehr Selbstbestimmung und freie Zeiteinteilung für die Belegschaft!

Durch die Digitalisierung sowie Globalisierung ist die Arbeitswelt ständigen Veränderungen ausgesetzt. Unternehmen und auch Beschäftigte müssen darauf blitzschnell reagieren können, um den Anschluss nicht zu verlieren. Das „neue Arbeiten“ steckt somit die Rahmenbedingungen: Mitarbeiter der „New-Work-Generation“ arbeiten, um zu leben. Und nicht umgekehrt.

Sie fordern:

Freiräume für Selbstständigkeit,
✓ Mitgestaltung sowie Kreativität und
✓ persönliche Entfaltung.

Die Tätigkeit soll also weder langweilig sein, noch ausschließlich für die Erarbeitung des Lebensunterhalts dienen. Sinnstiftend und erfüllend sind die wichtigsten Attribute.

Ziele gemeinsam durch Motivation und Förderung von Stärken erreichen!

Ein Unternehmen kann nur bestehen und wettbewerbsfähig bleiben, wenn es tatkräftig unterstützende Mitarbeiter hat. Etablieren Firmen die neuen Ansätze des New Work, schaffen sie ein wertschätzendes Arbeitsumfeld:

✓ Alte Hierarchieebenen sind aufgebrochen.
✓ Arbeitskräfte erhalten in deren Aufgabenbereiche Handlungsspielräume.
✓ Mitarbeitende in Unternehmensstrategie und -ziele einbinden.
✓ Firmenprozesse passen sich an die wechselnden Anforderungen an.

Offene Kommunikation, regelmäßiges Feedback sowie Fehlertoleranz schaffen hierbei eine Vertrauenskultur. Alle Beteiligten entfalten sich autonom und arbeiten dadurch produktiver. So ziehen alle an einem Strang und leisten ihren bedeutenden Beitrag zur Erreichung des Unternehmenserfolgs.

Treibe wichtige Themen voran und sei selbst Vorbild für die gelebte Firmenkultur!

Viele Unternehmen tragen nach außen ein Bild der neuen Arbeitskultur. Auf ihren Webseiten oder in ihren Stellenanzeigen schreiben sie von flachen Hierarchien, Unterstützung bei der Weiterentwicklung und Ideen seitens der Mitarbeiter seien willkommen. Doch bei der aktiven Umsetzung dieser Philosophie ist leider noch viel Luft nach oben.

Nicht bei unserem Chef. Neben seinen täglichen Aufgaben beschäftigt er sich u. a. mit neuen Trends im HR-Bereich. Uns verwunderte es daher nicht, als er Anfang 2021 mitteilte:

„Ich arbeite ab sofort 4 Tage in der Woche“.

 

Was war der Auslöser, der dich dazu bewegt hat, nur 4 Tage in der Woche tätig zu sein?

Der Hauptgrund war die Geburt meines Sohnes. In mir stieg der Wunsch nach mehr gemeinsamer Zeit mit ihm auf. Zudem möchte ich meine Partnerin entlasten.

Umstrukturierungen bei unseren Kunden und die aktuelle wirtschaftliche Lage gehen gleichzeitig auch an uns nicht spurlos vorbei. Das hält mich nicht davon ab, ständige Verbesserungen oder Optimierungen bei uns vorzunehmen. Ich habe hier sehr großes Vertrauen in mein Team und in mein Unternehmen.

 

Wie hat dein Team die Neuigkeit aufgenommen?

Da ich häufig mit neuartigen HR-Themen ankomme, waren sie nicht sonderlich überrascht. Beispielsweise führte ich Freelance Partner vor Corona zwei Jahre lang von Colorado aus. Früher war das nicht so: Ich habe häufig gepredigt, dass niemand Überstunden macht. Ich war aber selbst kein Vorbild. Das ist unglaubwürdig. Für mich ist deshalb generell alles willkommen, was uns effizienter macht. Diese Idee wird dann ausprobiert.

Ich habe zuerst mit meinem Team über meinen Entschluss gesprochen und sie gefragt, ob sie sich das zutrauen. Wir haben uns anschließend zusammengesetzt und Erwartungen, notwendige Strukturen sowie ein Verhaltenskodex abgestimmt. Daraus entstanden sind für alle Entscheidungskorridore, Flexibilität und freie Zeiteinteilung. Das nutzt mein Team und arbeitet selbst in Teilzeit.

 

4-Tage-Chef

 

Was denkst du, sind die positiven Seiten einer 4-Tage-Woche?

Auf der einen Seite verbringe ich mehr Zeit mit meinem Sohn und stärke den Bindungsaufbau zu ihm. Zusätzlich entlaste ich meine Partnerin im Alltag. Auf der anderen Seite kann sich mein Team entwickeln, positionieren, über eigene Aktivitäten empfehlen und Ideen einbringen. Sie unterliegen keinerlei engen Führung und können ihre Stärken ausprobieren. Hauptsächlich geht es darum, die Firmenziele zu verinnerlichen.

Allerdings finde ich Mikromanagement unter zwei Bedingungen fantastisch:

  • Bei neuen Mitarbeitern, die sich in unsere Firmenkultur einfinden müssen. Hier erkläre und zeige ich alles, was sie hierfür wissen müssen.
  • Bei Low-Performern, die ich coache, sodass sie ihren Teil zu unserem Ziel beitragen können.

Stets helfen wir uns untereinander und unterstützen uns gegenseitig. Bei einer kürzeren Woche müssen klare Prioritäten gesetzt werden: Was ist wichtig bzw. unwichtig?

 

Was sind negative Aspekte eines 4-Tage-Chefs?

Nun, ich muss ein erhöhtes Aufkommen in 4 Tagen unterbringen. Für mich heißt das konkret 20 % weniger Pufferzeit und lange Tage bei Sonderthemen. Meine Arbeitstage sind extrem voll und durchgetaktet. Da darf mir nicht viel Unerwartetes um die Ohren fliegen. D. h. ich muss alles terminieren und habe einen größeren Planungshorizont. Eine Ad-hoc-Reaktion ist meinerseits daher manchmal nicht möglich. Spontanität weicht häufig einer verlässlichen Planung.

Ich muss aufpassen, dass ich mich privat ebenfalls nicht verrenne. Mein Bruder sagte mal zu mir, dass ich der getaktete Mensch sei, denn er kennt. Es ist mir aktuell nicht möglich, mich spontan zu verabreden. Das ist sehr unbefriedigend für mich und zum Teil auch für mein privates Umfeld. Das versuche ich jetzt in meiner Freizeit Schritt für Schritt abzulegen.

 

Welche Grundsätze müssen für eine erfolgreiche 4-Tage-Woche gelten?

Essenziell sind Vertrauen, Zuverlässigkeit, Einhalten von Absprachen, Pünktlichkeit, vorbereitet sein und Unterstützung sowie Rückhalt vom Team. Insofern müssen wir gemeinsam einen Rahmen definieren, der von allen getragen wird. Jedes Teammitglied soll sich wohlfühlen, interagieren und sich in seinem Spielraum frei bewegen können. Daneben müssen Prozesse weiter optimiert werden, um unsere Kunden schneller zufriedenzustellen. Wesentlich dafür ist also ein gewisser Dokumentationsstandard. Somit wissen alle, wo sie die benötigte Information finden. Diese Neuerungen dienen zugleich der Sicherheit, Qualität sowie Quantität.

Prinzipiell müssen überdies noch Emotionen zugelassen werden. Ich bin als Führungskraft auch unsicher und verletzbar. Ich habe mich von der Fachkraft zur Führungskraft, zum Unternehmer bzw. Coach entwickelt. Wenn ich nicht weiterkomme, hole ich mir Hilfe von Experten. Ich lerne ja ebenfalls nie aus. Ganz nach dem Motto: sich selbst zu entwickeln, lässt auch die berufliche Funktion weiterentwickeln.

 

Welche Tipps möchtest du Unternehmen mitgeben, die den Anschluss nicht verlieren möchten?

Als erstes muss die Führungskraft die gelebte Kultur selbst verinnerlichen. Räumt euren Mitarbeitern Zeit für eigene Projekte, die der Unternehmensentwicklung dienen, ein. Ein erfolgreiches Beispiel ist Google mit seiner Area 120. Das fördert die Selbstverwirklichung und Eigenständigkeit der Mitarbeiter. Zweites nehmt die Schwere bzw. Last runter. Pusht Themen, die euch euren Zielen näherbringen. Seht die Veränderung als Experiment mit einem definierten Endpunkt. Es ist ein ständiger Lernprozess, bei dem es ums Ausprobieren geht. Try and Error.

Fragt euch:

Was wäre das Worst-Case-Szenario?
✓ Funktioniert die Idee für uns?
✓ Was läuft super, was nicht?
✓ Wo muss angepasst werden?

Die grundlegende Frage ist doch: Warum nicht? Mein Rat an alle Unternehmen, die eine Vorreiterrolle einnehmen wollen, lautet: Einfach machen, ausprobieren und währenddessen lernen.

Wir danken dir, Milan, für das informative Interview und den Einblick in dein Berufs- sowie Privatleben.

*Keine gendergerechte Sprache? Ja – Wir möchten den Lesefluss nicht stören und Suchmaschinen können keine Gendersprache verarbeiten. Aus vollster Überzeugung sprechen wir grundsätzlich alle Geschlechter an.

FAQs:

Bleibt die Stundenzahl einer 5-Tage-Woche bei der 4-Tage-Variante erhalten?

Nein. Häufig wird bei der 4-Tage-Woche weniger Stunden gearbeitet. Pro Woche sind dies meist 32 bis 36 Stunden.

 

Welche Auswirkungen kann die 4-Tage-Woche auf Gehaltszahlungen haben?

Es kommt hier auf die individuellen Absprachen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer an. Bleibt bspw. die Stundenzahl gleich, dann gibt es keine Veränderung bei der Gehaltshöhe. Wird die Stundenzahl minimiert, besteht die Möglichkeit der Gehaltskürzung oder der Arbeitgeber gewährt dennoch den kompletten Gehaltsausgleich.

 

Wie sieht der Urlaubsanspruch einer 4-Tage-Woche aus?

Der Urlaubsanspruch einer 4-Tage-Woche ist gesetzlich geregelt und liegt bei mindestens 16 Tagen. Da Beschäftige weniger Arbeitstage in der Woche haben, müssen auch weniger Tage genommen werden, um 5 Tage freizuhaben. Dadurch kommen die Mitarbeiter auf ein Minimum von 4 Wochen Urlaub im Jahr.

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